Galerie DER MIXER, Frankfurt (gegenüber MMK)

 

Die Ausstellung wurde bis 01.05.2020 verlängert.

 

Eröffnung: Freitag 31.01.2020 um 19 Uhr

Ausstellung: 01.02. – 14.03.2020

Dienstag, Mittwoch und Freitag: 16 - 20 Uhr

Samstag: 12 - 18 Uhr

und nach telefonischer Vereinbarung

+49(0)1622470257

+49(0)1713173041

 

Einführung: Heike Sterna

 

 

M a c h t , K o n t r o l l e u n d d e r S p a ß f a k t o r

Bei den fotografischen Arbeiten der Serie fadetogrey (pre-war) richte ich meinen Blick durch die laufende Bilderflut auf die Gefährdungspotentiale im digitalen Zeitalter. Schleichend und teilweise unbemerkt ist in den letzten Jahren eine völlige Abhängigkeit vom Funktionieren der IT-Infrastruktur entstanden. Hacker und Schadsoftware stören die Prozesse. In der elektronischen Kriegsführung lassen sich Transportsysteme, Energie- und Wasserversorgung, Finanzverkehr ausspionieren, manipulieren und zerstören. Es heißt, der nächste Krieg finde in den Leitungen statt.
Hier beginnt meine Arbeit. Durch Manipulation der eigenen Leitungen stelle ich selbst den „shutdown“ her, lasse die digitalen Bilder zusammenstürzen und fotografiere in diesen kurzen, nicht kontrollierbaren Prozess hinein. Es verschwinden zuerst die präsenten Motive des Allgegenwärtigen, auch die des Beiläufigen. Die Pixel scheinen ein Eigenleben zu führen, die bunten Pixel verändern und vermischen sich und bilden Interferenzen. Für einen Bruchteil an Sekunden entsteht ein Chaos im Bild, bevor alles grau wird… fadetogrey. Ich versuche, den letzten Moment vor dem Verschwinden des Bildes festzuhalten.

Es geht indirekt um den Umgang mit Bildermassen, um Macht und Ohnmacht, um Kontrolle, um Erinnerung, um Verlust von Erinnerung und um das Verschwinden von Bildern.
Immanent ist das Thema der Bildfindung. Die Kontrolle muss ich in diesem Prozess gänzlich loslassen. Ein durchaus befreiender und lustvoller Prozess. Aber gleichzeitig auch ein Gefühl der Ohnmacht, des Kontrollverlusts. Also ein kreativer Prozess – und in diesem Spannungsfeld entstehen neue Bilder.

Keine der Arbeiten wird nachträglich digital bearbeitet, ich treffe lediglich eine Auswahl an aussagekräftigen,
komplexen, mich berührenden Bildern. Trotz der zum Teil sehr „malerischen Wirkung“ der mehr oder weniger lichtgrauen Arbeiten geht es mir jedoch um den Zusammenhang, um die Themen der Gegenwart, um den Kontext der gesellschaftspolitischen Realität.

Im rückwärtigen Bereich der Galerie sowie im Schaufenster sind Zeichnungen zu sehen. Die direkte Umsetzung eines Gedankens, einer Idee, eines Konzepts auf Papier erfolgt bei der Zeichnung in einer Klarheit, Unmittelbarkeit und Ehrlichkeit wie bei keinem anderen Medium in der bildenden Kunst, weshalb Zeichnung bis heute mein bevorzugtes Medium ist. Das hingebungs- und lustvolle Spiel mit Stift und Graphitstaub, mit Ziel und Zufall, berührt und gibt mir einen notwendigen Ausgleich zu den digitalen Arbeiten. In den letzten Jahren konnte ich zahlreiche Serien zu kritischen Themen erarbeiten, Zeichen, Kürzel, Strukturen finden. Analog und digital gehen dabei oft zusammen einher.
Wichtige Themenfelder meiner Zeichnungen und Mixed Media Arbeiten sind Vernetzung, Überwachung, Kontrolle, Gentechnik, der Mensch in Bezug auf die Neuen Technologien. Es geht um komplexe ethische Fragestellungen. Neu hinzugekommen sind seit 2019 die „Variationen zu Googles Quantencomputer“.

Noch ein Wort zum Papier als Bildträger: Auch im digitalen Zeitalter ist Papier noch zuverlässiger Träger unserer Erinnerung. Noch ist Papier nicht verschwunden. Sowohl der zeichnerische als auch der fotografische Prozess selbst sind Erinnerungsmetaphern.